Hervé Jeanne ist passionierter Kontrabassisist und einer der erfolgreichsten Jazz-Musiker Hannovers. Zur Zeit hat der 38-Jährige seine Aktvitäten herunter geschraubt, da er im Februar dieses Jahres zum zweiten Mal Vater geworden ist. Doch bald widmet sich der gebürtige Luxemburger, der 1991 zum Studium an der HMTH nach Hannover gekommen ist, wieder seinen zahlreichen Projekten, darunter die Zusammenarbeit mit Roger Cicero, die Programmgestaltung Jazz-Reihe „Eat Jazz“ in der Gondel sowie die redaktionelle Mitarbeit bei der Zeitschrift „Bass Professor“. Im Gespräch mit der JazzScene gab Hervé ein Resümee seines bisherigen Schaffens und verriet, was er für die Zukunft plant.
Jetzt gehörst Du schon seit fast 20 Jahren zur hannoverschen Jazz-Szene. Wie würdest Du sie beurteilen?
Ich fühle mich sehr wohl hier. Es ist aber kein Geheimnis, dass es viele Musiker in die größeren Städte zieht, nach Berlin, Hamburg oder New York. Dort gibt es mehr Konkurrenz, man wird als Musiker stärker gefordert. Ich bin aber sehr zufrieden damit, wie es sich hier für mich entwickelt hat. Es gibt eine Handvoll sehr guter Jazz-Musiker, mit denen ich sehr gerne zusammen arbeite. Allerdings finde ich es für die eigene Entwicklung wichtig, nicht nur im kleinen hannoverschen Kreis zu bleiben, sondern auch Kontakt zu anderen Städten und Szenen zu pflegen.
Du warst selber in New York. Bestand die „Gefahr“, dass du dort hängen bleibst?
Die Gefahr bestand auf jeden Fall. Von 1996 bis 2004 bin ich fünf mal hingereist. Jeder Besuch war eine neue Dosis Motivation und Eindrücke. Der Bass-Kollege Peter Schwebs ist ja dauerhaft nach New York gezogen. Wenn ich seine Geschichten höre, beneide ich ihn ein bisschen. Andererseits wäre vieles nicht geschehen, wenn ich Hannover verlassen hätte. So auch die Zusammenarbeit mit Roger Cicero, über die ich sehr froh bin.
Wann begann die Arbeit mit Roger Cicero?
Bei der ersten Probe der Lutz Krajenski Big Band, also der Ur-Besetzung der aktuellen Cicero-Band. Diese Band wurde aber tatsächlich von Lutz Krajenski 2001 gegründet und hieß damals „Salonorchester Linden-Mitte“. Wir hatten aber kein richtiges Management und spielten dementsprechend nur eine Handvoll Gigs pro Jahr. Um Gig-mäßig etwas flexibler (und preisgünstiger) zu sein, arbeiteten wir auch in reduzierter Quintett-Besetzung unter dem Namen „After Hours feat. Roger Cicero“ zusammen. Wir nahmen 2004 eine CD auf und spielten viele sehr schöne Konzerte. Die Zusammenarbeit hat gezeigt, dass die Chemie stimmt. Als Roger 2005 ein eigenes Management hatte, bestand er darauf, mit der Hannover-Gang um Lutz Krajenski als Band weiter zu arbeiten. Ende 2005 ging es ins Studio, wo die ersten Tracks für „Männersachen“ aufgenommen wurden.
Jetzt arbeitest Du schon fünf Jahre mit Roger zusammen. Leidet das Projekt unter „Abnutzungserscheinungen?“
Der Anfangshype hat sich natürlich gelegt, aber das kann man nicht als Abnutzungserscheinung bezeichnen. Wir Musiker waren damals auch ziemlich überrascht, plötzlich mit der eigenen Musik in den Charts zu sein und in Hallen mit mehreren Tausend Zuschauen aufzutreten. Mittlerweile hat man sich an diese Dimensionen gewöhnt und es fühlt sich schon normal an. Es gibt aber keinen Rückgang bei den Konzertbesucherzahlen. Die Fans sind uns treu und auch bei der dritten Tournee sind sämtliche Hallen und Säle gut besucht bis ausverkauft.
Wie verändert sich das eigene Leben, wenn man an einem so populären Projekt beteiligt ist?
Am Anfang war es ein ganz verrücktes Gefühl. Kurz nachdem die Platte erschien, stand ich eines Tages auf einem Supermarkt-Parkplatz und hörte Saxophonklänge aus einem vorbeifahrenden Auto. Ich erkannte sofort den Sound von Stephan Abel, konnte mir aber nicht erklären, wie er aus einem wildfremden Wagen ertönen konnte – bis ich kapierte dass es ein Solo auf einem Stück der Roger Cicero-Platte war! Angesprochen werde ich eher selten. Dafür ist der zeitliche Aufwand aber immens. 2008 waren es rund 80 Auftritte mit Roger und dazu kamen noch Proben und CD-Aufnahmen. Da ist natürlich klar, dass ich dem Projekt Priorität einräumen muss und meine anderen Aktivitäten reduziere. Das ist natürlich nicht ganz einfach. Ich würde nebenbei gerne auch anderweitig kreativ arbeiten. Daher versuche ich jetzt in den Bereichen Komposition und Produktion ein bisschen was zu machen.
Du arbeitest auch als Booker, hast früher das Marlene-Programm gestaltet und machst nun schon seit einigen Jahren das Programm der Gondel. Was ist der Reiz?
Bei der Marlene war es total spannend, die Plätze zu tauschen und der Ansprechpartner für die Bands zu sein. Man kann als Musiker viel lernen, wenn man sieht, wie sich andere Gruppen um einen Auftritt bewerben. Es war allerdings auch anstrengend, da ich ständig verfügbar sein musste. Daher habe ich nach fünf Jahren aufgehört. In der Gondel ist das Konzept anders. Dort gehöre ich zur Hausband und kann jeden Mittwoch in einer kleinen Besetzung spielen. Es ist toll, die Möglichkeit zu haben auch mal zu improvisieren. Und falls ich mal nicht kann, organisiere ich eben musikalischen Ersatz.
Und wie sieht deine Arbeit beim „Bass Professor“ aus?
Die erste Ausgabe des Bassprofessors erschien 1996 , da gehörte ich bereits zum Gründungsteam. Seitdem mache ich regelmäßig Fotos von den Instrumenten, die getestet werden und schreibe selber manchmal Testberichte. Außerdem führe ich Interviews, vor allem wenn es um Jazz oder Kontrabass geht. Da bin ich quasi der Fachmann.
Was planst du für die Zukunft? Du bist ja gerade dabei ein eigenes Studio zu bauen und einzurichten.
Ursprünglich dachte ich an einen schönen Musikraum, in dem ich üben, proben und auch mal aufnehmen kann. Die Idee hat sich weiterentwickelt: Wir entschieden uns, ein Studio zu bauen, das wir auch an Bands vermieten können. Wichtig ist mir, dass eine Band in einem Raum spielen kann und nicht wie in vielen anderen Studios in einzelne Kabinen getrennt wird. Jazz-Musiker brauchen die Nähe, sie wollen sich direkt sehen und hören können. In ungefähr zwei Monaten möchte ich das Studio in Betrieb nehmen. Dort möchte ich außerdem Jazz-Projekte aufnehmen, in denen ich über die Jahre in verschiedenen Besetzungen gespielt habe. Aber auch meine Bestrebungen Richtung Komposition und Produktion möchte ich weiterentwickeln. Dabei finde ich nicht nur Jazz, sondern auch Pop und Soul interessant. Das steckt allerdings noch in den Kinderschuhen!-