Dezember 2002

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Christy Doran’s New Bag: Heaven Is Back In The Streets
(Challenege/Sunnymoon)

Der Schweizer Gitarrist Christy Doran war schon immer bemüht, Klischees weiträumig zu umfahren. Hin und wieder ist er dabei auch schon mal vom Weg abgekommen. Auf seiner neuen CD aber kreuzt er souverän durch das Fusion-Land. Seine sägenden und singenden Gitarrenkonversationen treffen auf eine packende Rhythmusgruppe, die geradlinig grooven kann, aber auch lustvoll mit vertrackten Metren spielt. Einen Sänger hat Doran mit Bruno Armstad auch an Bord, der die Funktion einer weiteren Instrumentalstimme übernimmt. Interessanter Jazzrock, der ein wenig an die experimentellen Seiten von King Crimson erinnert.

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Weather Report: Live & Unreleased
(Sony Music)

Keine Frage: sie waren die Supergroup des Fusion-Epoche: Einzigartig, kreativ, fordernd, innovativ. Was auch noch heute an Weather Report fasziniert, ist dieser ureigene Sound, zusammengepresst und geformt von den starken Musiker-Egos Wayne Shorters und Joe Zawinuls. Auf dieser Doppel-LP finden sich bislang unveröffentlichte Aufnahmen aus der Weather Report-Ära 1975-83, produziert und ausgewählt von Wayne Shorter. Ein Muss nicht nur für WR-Fans. Ein zeitloses Tondokument, dass die Live-Intensität dieser zwischen Jazz, Rock, Funk und Weltmusik oszillierenden Band hervorragend einfängt. Highlight: die 12-minütige Version von „Cucumber Slumber“.

Enders Room: Monolith
(Enja/Soulfood)

Weilheim scheint ein interessantes Plätzchen für kreative Musik zu sein. Die drei im Grenzbereich zwischen Rock, Jazz und elektronischer Musik arbeitenden Bands The Notwist, Mars Mobil und Tied + Tickled Trio sind hier ansässig. In allen drei Bands ist der Saxofonist Johannes Enders tätig. Als Solo-Künstler allerdings ist er mehr im akustischen Modern-Jazz-Rahmen hervorgetreten – dort allerdings als eigenständiger Tenorsaxofonist mit beeindruckendem Ton. „Monolith“ ist seine erste CD, wo er mit elektronischer Musik Berührung aufnimmt. Und das auf zarte Weise. Mit Musikern wie dem Gitarristen Wolfgang Muthspiel oder der Sängerin Rebekka Bakken gelingen ihm wundersam-entrückte Soundscapes, die im Spannungsfeld zwischen Björk, Burt Bacharach und Console ihren Reiz entfalten.

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Orchestra Baobab: Specialist In All Styles
(World Circuit/Indig)

Sie bezeichen sich als Spezialisten in allen Stilen. Das ist nicht ganz falsch: das Orchester, das sich im Senegal 1970 gründete, zählt zu den wichtigsten Bands des schwarzen Kontinents. Bereits in den 70ern mixten sie lokale Klänge mit afrokubanischen Rhythmen. Im Laufe der Zeit kamen Einflüsse aus Pop, Reggae, Funk und Soul hinzu, die auf dem neuen Album (ihr erstes nach 20 Jahren) überraschende Früchte tragen. Produziert hat dieses durchweg abwechslungsreiche und höhrenswerte Album übrigens Worlds-Circuit-Boss und Buena Vista Social Club-Entdecker Nick Gold.

Yves Robert: In Touch
(ECM/Universal)

Jazz mit einem kammermusikalischen Ausdruck; verwegene Texturen und freie Improvisationsketten: all dies ist auf dieser CD des französischen Posaunisten Yves Robert zu hören – und noch ein wenig mehr. Robert kommt aus dem Kreis der imaginären Folkloristen um Louis Sclavis, hat mit vielen Avant-Jazzern wie Derek Bailey oder Steve Lacy gespielt und bündelt diese Einflüsse zu einem Strom manchmal sich reibender, oft aber lyrisch abstrakter Klänge. Beeindruckend ist auch das Zusammenspiel zwischen Robert, Cellist Vincent Courtois und Schlagzeuger Cyril Atef.

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Mingus By Five: Same
(Touché Music/ZYX)

Give me five: Mit diesem einschlagenden Konzept haben die fünf Schwedenhappen bereits den großen Piano-.Exzentriker Monk geehrt („Monk By Five“, TMcD012). Nun ist es der nicht minder exzentrische Bassist Charles Mingus: BeBop-Baron, Formbewahrer- und Zerstörter, Blues-Avantgardist und FreeJazz-Geburtshelfer. Das Quintett hat sich bekannter Mingus-Kompositionen wie „Goodbye Pork Pie Hat“ angenommen und diese Mingus-typisch mit galanten Brechungen und stilvollen Sound-Texturen in s(ch)wingende Improvisations-Plastiken gegossen.

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Orrin Evans: Meant To Shine
(Palmetto/SunnyMoon)

Gut, dass es das Palmetto Label gibt! Der kleine amerikanische Indie sticht mit originellen Neuveröffentlichungen im Rahmen des akustischen Jazz moderner Prägung hervor. Sehr zu empfehlen: die CD des Pianisten Orrin Evans (Bobby Watson), der die Bop-Tradition verinnerlicht hat und auf festen technischen Fundament frische Improvisationsmuster zaubert. Dank der Unterstützung hervorragender Sidemen (Gene Jackson, Sam Newsome, Eric Reves, Ralph Bowen) klingt „Ment To Sine“ ausgesprochen kontrastreich.

Rezensionen von Tiga Schwope