„Die Magie des Moments einfangen“

Meeco, bürgerlich Michael Christian Maier, ist ein Music-Maniac im besten Sinne. Getrieben von dem Wunsch, „gute Musik zu machen; Musik, die Emotionen weckt“, veröffentlicht der 35-Jährige in diesen Tagen sein drittes Album, das den Titel „Beauty Of The Night“ trägt. Das Besondere an diesem wie auch schon bei Meecos ersten beiden Longplayern: Der Pianist zeichnet als Komponist und Produzent verantwortlich, tritt aber nicht als Musiker in Erscheinung. Diesen Part füllt eine Schar international renommierter Künstler aus. Aktuell sind das Eloisia, Jane Birkin, Freddy Cole, Gregory Porter, Joe Bataan, Hubert Laws, Eddie Henderson, Benny Golson, Bennie Maupin, Kenny Barron, Buster Williams, Zé Manoel, Lionel Loueke, Romero Lubambo, Stefon Harris, Jaques Morelenbaum und Victor Lewis. Meeco ist gebürtiger Berliner, lebt aber seit einigen Jahren in Paris. Neben „Beauty Of The Night“ sind bisher die Alben „Amargo Mel“ (2009) und „Perfume e Caricias“ (2010) erschienen.

Jazz over Hannover traf Michael am 3.3.2012 in Berlin.
Interview/ Foto: Jens-Christian Schulze

Michael, Musiker erzählen gern, dass sie schon vor dem Laufenlernen Musik machten…

Ich habe erst Laufen gelernt … Im Ernst: Ich produziere eigene Musik seit meinem 15 Lebensjahr. Meine erste Band war eine deutschsprachige HipHop-Formationen, mit Sängerin Pamela Knight und produziert von Terranova. Es gab sechs professionell produzierte Songs, der große Durchbruch allerdings stellte sich nicht ein. Danach widmete ich mich meinem eigenen Studio, produzierte junge Berliner Künstler. Dabei versuchten wir vor allem, Vorbilder der damals aufkommenden amerikanischen Neo-Soul-Bewegung zu imitieren. Das war aber nicht die Musik, die ich in meinem Herzen hatte.

Wie hast Du Deine Musik entdeckt?

Nach der Studio-Zeit spielte ich ein paar Jahre nur noch Klavier, habe zum Beispiel als Barpianist in Berliner Hotels mein Studium finanziert. Da habe ich erkannt, was ich wirklich wollte, und so entstand auch die Idee zu meinem ersten Album „Amargo Mel“. Von der Idee bis zur Fertigstellung des Albums vergingen allerdings ein paar Jahre. Das Produzieren dieser Platte allein hat zwei Jahre gedauert.

Mit welchen Schwierigkeiten hattest Du zu kämpfen?

Zum einen waren das finanzielle Schwierigkeiten. Mein Konzept sieht vor, mit erstklassigen Musikern in einem echten Tonstudio zu arbeiten. Das kostet schon einiges Geld. Da ich so flüssig nicht war, entstanden die Songs nach und nach. Zum anderen musste ich auch ziemlich kämpfen, weil Leute von Plattenfirmen und auch von der Fachpresse mein Konzept nicht verstanden haben. Die reagierten zunächst eher verkopft und konnten sich nicht vorstellen, dass ich selbst gar nicht als Musiker agieren möchte. Mittlerweile wird das aber nicht mehr infrage gestellt, werde ich mit meiner Vorgehensweise, Musik zu machen, durchaus respektiert.

Wie haben die Musiker, die Du angefragt hast, auf Dich reagiert?

Das gab es natürlich Kollegen, die skeptisch waren. Ist ja auch naheliegend, mich kannte ja kein Mensch. So informierten sich Musiker nicht nur darüber, ob ich überhaupt das Geld hätte, sie zu bezahlen, sondern auch darüber, wie ernst es mir ist.

Wie suchst Du Musiker aus?

Ich habe natürlich eine lange Liste mit Lieblingsmusikern. Dennoch überlege ich genau, wer wirklich passt. Denn jeder Musiker hat seinen eigenen Charakter, der entsprechend mit meinen Vorstellungen einher gehen muss. Ich recherchiere vor einer Produktion ganz genau, schaue mir Clips auf YouTube an oder, besser noch, schaue mir Musiker live an. Paris hat glücklicherweise eine sehr vitale Jazzszene mit etlichen hervorragenden Jazzclubs, in denen regelmäßig die Creme des internationalen Jazz‘ zu sehen ist. Eine Auswahl zu treffen ist etwas vergleichbar mit einem Trainerjob beim Fußball. Eine Riege großer Namen ergibt noch keine gut spielende Mannschaft. Die Chemie innerhalb eines Teams muss natürlich stimmen.

Wie gut sind Deine Ergebnisse als „Trainer“?

Bei „Amargo Mel“ habe ich gelernt, wie wichtig ein Team ist und wie anstrengend es ist, wenn Egoismus im Spiel ist. Das kostet sehr viel Kraft. Auf „Beauty Of The Night“ spielen nun Musiker zusammen, die sehr zugänglich sind, die sich untereinander auch mögen. Entscheidend ist allerdings, dass man jedem Musiker mit Liebe, Sensibilität und Respekt begegnet. Wenn man das macht, wird man auch respektvoll behandelt und ist es zum Beispiel keine Schwierigkeit mehr, „Kritik“ zu üben. Im Gegenteil: Erst in einem respektvollen Miteinander entsteht gute Musik, weil alle Beteiligten viel eher bereit sind, aufeinander zuzugehen, und weil es speziell mir als Produzent gelingen kann, den Musikern andere Facetten zu entlocken.

Wie schwer ist es, an die große Namen im Geschäft heranzukommen bzw. sie alle unter einen Hut zu bekommen?

Das ist in der Tat keine einfache Aufgabe, und es gab bei jeder Produktion Absagen, weil die entsprechenden Musiker einfach keine Zeit hatten. Wenn jemand 320 Tage im Jahr auf Tournee ist … Pat Metheny zum Beispiel ist ein Musiker, mit dem ich gerne zusammenarbeiten würde, der es aber bisher nicht hat einrichten können. Es ist eben eine Organisationssache, einen für alle passenden Termin zu finden. Von Vorteil ist dabei, dass Dreiviertel der Musiker in New York leben. Dort gibt es auch sehr gute Studios, so dass für die meistens Kollegen Zeit für Anreise wegfällt. Jaques Morelenbaum zum Beispiel kam aus Rio angereist, war somit schon mal rund einen Tag mit Reisen beschäftigt.

Wie lange erstreckte sich die Aufnahmesession für das neue Album?

Über einen Tag. Das ist absolut ungewöhnlich und für Musiker eine große Herausforderung. Sie müssen über viele Stunden konzentriert bei der Sache bleiben. Sie spielen die Songs zusammen in der jeweiligen Besetzung ein. Das ist heutzutage absolut ungewöhnlich. In der Regel ist es so, dass – überspitzt formuliert – zehn Musiker in zehn Studios jeder für sich ihre Parts einspielen, die dann im elften Studio zusammengemischt werden.

Kommen mit Deiner Arbeitsweise alle Beteiligten klar?

Für Hubert Laws beispielsweise war das ein Grund, überhaupt erst mitzumachen, weil ihn das Zusammenspiel im Studio reizte. Joe Bataan findet dieses „Familientreffen sehr inspirierend“, wie er sagt. Es gab da aber andererseits auch ein renommiertes Studio, das ich angefragt hatte, das aber abgewunken hat, als ich sagte, ich wolle an nur einem Tag ein komplettes Album einspielen. Das sei unmöglich, für einen solchen Unsinn stände er nicht zur Verfügung, sagte mir der Studiobetreiber.
Für mich ist diese Arbeitsweise zum einen begründet in der schon erwähnten finanziellen Erwägung – ein Studiotag kostet ordentlich Geld. Für „Beauty Of The Night“ habe ich beispielsweise meine innig geliebte Single-Sammlung mit 60er Jahre Soul & Funk-Stücken verkauft und damit zu 70% die Produktionskosten gedeckt. Eine harte, aber richtige Entscheidung. Was gibt es Schöneres, als etwas Neues zu kreieren?
Zum anderen ist es auch Teil meines künstlerischen Konzepts. Jeder Song wird wie gesagt in kompletter Formation eingespielt, mehr als drei Takes gibt es nicht. Und bei acht Songs insgesamt ist es eine reine Rechenaufgabe, ob das an einem Tag zu schaffen ist.

Schiefgehen darf dann aber nichts, oder?

Es muss alles glatt laufen, klar. Ein zweites Mal würde ich das auch nicht mehr machen, sondern wieder einen zweiten Tag wie bei „Perfume e Caricias“ dazu nehmen.

Wie genau sieht Dein künstlerisches Konzept aus?

Alle Musiker erhalten vor der Aufnahmesession die Partituren. Im Studio erläutere ich, wie ich mir den jeweiligen Songs genau vorstelle. Und dann geht es auch schon los. Mein Konzept kennt keine Proben, die lehne ich ab. Wenn du zehn Mal probst, wie soll das dann beim elften Mal noch klingen? Das Spannende ist, was bei den ersten Aufnahmen passiert. Nach dem dritten Take setzt der Kopf ein, droht es langweilig zu werden. Ich will die Magie des Moments einfangen. Das geht für mich nur auf diesem Weg, und den kann ich nur mit Musikern erster Güte gehen …

… die fast alle schon viele Jahre auf dem Buckel haben.

Junge Musiker haben sich in der Regel noch nicht die Hörner abgestoßen, glauben oft, etwas beweisen zu müssen und werden dabei der eigentlichen Sache gar nicht gerecht. Es ist auch eine Generationssache; ältere Musiker haben einen anderen Background, einen anderen Stil, eine andere Haltung zu Musik, was meinen Songs sehr gut tut.

Ist ein viertes Album schon angedacht?

Es wird bestimmt ein weiteres Album geben. Aber damit beschäftige ich mich im Moment nicht. Die Arbeit zu „Beauty Of The Night“ ist noch viel zu präsent. So viel allerdings weiß ich: Nach drei ähnlich gelagerten Werken muss jetzt etwas anderes kommen.